5. Volkswirtschaftliche Effekte
Bruttoinlandsprodukt in Deutschland, erstes Quartal 2020 bis drittes Quartal 2021
Vermiedene BIP-Verluste durch Testungen
Methodische Vorgehensweise und Grenzen
Für die Berechnungen werden Schätzungen zum Reduktionsbeitrag der Tests (Kapitel 3) mit Daten zum Infektionsgeschehen, zur Stärke der Einschränkungen und zum Wachstum des BIP verknüpft (Abbildung). Der Reduktionsbeitrag ergibt sich als Differenz zwischen der tatsächlichen Entwicklung des BIP und der kontrafaktischen Entwicklung, wie sie gewesen wäre, hätte es keine Tests gegeben und wären stattdessen stärkere Maßnahmen zum Einsatz gekommen. Wichtig ist dabei, dass sonstige Einflussfaktoren des Bruttoinlandsprodukts wie etwa ein verändertes Konsumverhalten der Bevölkerung nicht explizit berücksichtigt werden. Implizit wird dies über die geschätzte Elastizität des Bruttoinlandsprodukts auf Veränderungen des Oxford Stringency Index berücksichtigt. Weitere in Zusammenhang mit Tests stehende Kosten wie etwa die Etablierung und Erhaltung der Test- und Laborinfrastruktur werden nicht einbezogen.
Trotz empirischer Fundierung sind nur näherungsweise Schätzungen möglich. Sie bieten eine Indikation der Bandbreite der Stützung der Volkswirtschaft durch die Tests. Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich des tatsächlichen Reduktionsbeitrages der Tests – auch vor dem Hintergrund der Dunkelziffer, deren Ausmaß per se unsicher ist und im Pandemieverlauf stark schwanken dürfte. Durch die Nutzung von drei Annahmen zur Effektstärke von Tests zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wird dieser Unsicherheit – zumindest teilweise – Rechnung getragen.
Die Schätzungen zeigen, inwiefern eine Erhöhung des Stringency Index (was einer Verschärfung der Maßnahmen entspricht) zum Zeitpunkt t zu einem veränderten Infektionsgeschehen (ausgedrückt durch die 7-Tage-Inzidenz) in t+7 bis t+21 Tagen führt. Dieser Zeitraum von ein bis drei Wochen ermöglicht zeitlichen Verzögerungen bei den Wirkungen der Maßnahmen Rechnung zu tragen und damit ihre Wirkung möglichst umfassend abzubilden. Alternative Setzungen des Zeitraums führen zu vergleichbaren Ergebnissen.
Die Stärke der Einschränkungen werden mit Hilfe des Oxford Stringency Index gemessen. Dieser erfasst die Stärke von Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wie Ausgangsverbote, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen auf einer Skala von 0 (keine Einschränkungen) bis 100 (stärkste Einschränkungen). Ein Wert von 100 entspricht z. B. vollständigen Ausgangsbeschränkungen, einem sehr weitgehenden Kontaktverbot und kompletten Schulschließungen. Während des Beobachtungszeitraums lag der Index in Deutschland im zweiten Quartal 2020 bei 67,3, fiel auf 55,1 im dritten Quartal 2020, stieg bis auf 81 Punkte im ersten Quartal 2021 und sank im Anschluss wieder bis auf 62,3 Punkte im dritten Quartal 2021. Im Zuge der vierten Welle Ende 2021 stieg der Index wieder deutlich an.
Allerdings müsste der Index für den hohen Effekt und zeitweise auch für den mittleren Effekt auf einen Wert über 100 steigen, um einen vergleichbaren Rückgang des Infektionsgeschehens zu bewirken, wie er durch Tests unter Annahme der jeweiligen Effektstärke erzielt wurde. Der Index kann jedoch einen Wert über 100 nicht annehmen, da Einschränkungen in Deutschland nicht beliebig verstärkt werden können. Dies bedeutet, dass selbst harte Einschränkungen bei einer Reduktionswirkung durch Tests von 70 %- nicht ausreichen würden, um diese Reduktionswirkung mit Maßnahmen zu kompensieren. Damit liegen die Ergebnisse für die mittlere und hohe Effektstärke auf ähnlichem Niveau, weil in beiden Fällen der Index in nahezu allen betrachteten Quartalen ähnlich stark ansteigt und für eine hohe Effektstärke das Limit von 100 Punkten erreicht (aber eben nicht darüber hinaus). Dies erklärt die geringen Unterschiede in den berechneten vermiedenen BIP- bzw. Einkommensverlusten zwischen den beiden Fällen.
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